Dass deutsche Unternehmen mit ihren Archiv- und Backup-Magnetbändern fahrlässig umgehen, haben wir ja bereits in unserer gemeinsamen Studie mit der EDP Vertriebs GmbH unter fast 250 Verantwortlichen im Juli festgestellt und unter anderem hier im Blog veröffentlicht. Zur Erinnerung: Fast 44 Prozent aller Befragten gaben damals an, niemals ihre Magnetbänder zu prüfen. Nur 11 Prozent gaben an, ihre Bänder durch ein spezielles Software- und Hardware-Analysewerkzeug zu prüfen und nur ganze 4 Prozent nahmen die Angebote eines Service-Dienstleisters in Anspruch. Kein Wunder, dass mehr als ein Drittel bereits Schwierigkeiten beim Auslesen ihrer Tape-Daten hatten und 10 Prozent überhaupt nicht mehr auf Inhalte zugreifen konnte. Man kann vielleicht noch Verständnis für Besitzer älterer und nicht mehr verfügbarer Tape-Formate haben, bei denen nicht mal mehr die alten Bandmaschinen vorrätig sind, nicht aber bei den fast 90 Prozent der Befragten, die Magnetbänder im LTO-Format nutzen.
Denn bereits seit einigen Jahren gibt es eine einfach zu bedienende Lösung für LTO mit denen sich der Zustand eines oder mehrerer Magnetbänder ohne viel Aufwand und ohne dass das magnetbeschichtete Band angefasst wird überprüft werden kann. Der Trick dabei: Beim LTO-Format steckt in der Magnetband-Kassette neben den normalen mechanischen Teilen und dem eigentlichen Band auch ein kleiner Funk-Speicherchip. Dieser interne Kassetten Speicherchip (Cartridge Memory/CM) auf RFID-Basis steckt faktisch in jedem handelsüblichen LTO-Kassettenband seit der ersten Version.
Grundsätzlich enthält der CM-Chip elementare Diagnose-Informationen über die letzten Zugriffe auf das Band, über die Größe der gelesenen und geschriebenen Daten sowie über die Gesamtanzahl der bisherigen Band-Einsätze und der durchgeführten Schreib-/Lesezyklen im Full File Pass Verfahren. Darüber hinaus können aus einem CM-Chip auch der gesamte verfügbare und der belegte Speicherplatz sowie die unterschiedlichen Größen der verschiedenen Partitionen ausgelesen werden. Richtig interessant werden die gespeicherten Informationen über die Lese- oder Schreibfehler, die bei den letzten Einsätzen eines Magnetbands vorgekommen sind. Sind diese häufig vorgekommen, kann man von einer erhöhten Abnutzung ausgehen und ein weiterer Einsatz ist eigentlich nicht mehr wirklich zu empfehlen.
Einfaches „Prüfen“ von Magnetbändern per DC Analyser
Um den CM-Funk-Chip und den Barcode auslesen zu können, benötigt man spezielle Hardware. Wir haben zu diesem Zweck den von der EDP Vertriebs GmbH vertriebenem DC Analyser von Fujifilm getestet. Um den DC Analyser zu installieren benötigt man keine spezielle Hardware – eigentlich reicht ein altes Notebook mit Windows XP oder Vista zur gelegentlichen Diagnose von Magnetbändern völlig aus. Wenn man allerdings die dazugehörige kombinierte Analyse- und Verwaltungssoftware für eine Vielzahl vorhandener Tapes nutzen möchte, sollte man hier einen modernen PC einsetzen. Das Gerät wird über einen freien USB-Anschluss mit dem Computer verbunden und die dazugehörigen Treiber und Analyse- und Verwaltungssoftware lassen sich kinderleicht und ohne Schwierigkeiten installieren. Das mitgelieferte Handbuch als PDF-File könnte allerdings etwas ausführlicher sein.
Die Analyse eines Magnetbands umfasst zwei Schritte: Ähnlich wie bei einem Scanner muss der Nutzer zunächst die Lesesoftware aufrufen und per „Start“ den Prozess anschieben. Durch eine grüne Leuchtdiode am Geräte erkennt man das Auslesen sowohl des Barcodes als auch des CM-Chips. Der Barcode enthält dabei im Wesentlichen die Informationen über die Nummerierung der Bänder eines zusammenhängenden Tape-Sets sowie Seriennummern und Angaben über die verwendete Bandmaschine. Da die letzten beiden Informationen auch auf dem CM-Chip vorhanden sind, werden diese Informationen durch das gemeinsame Auslesen quasi gegeneinander überprüft.
Durch die ausgelesenen Informationen kann die Software Rückschlüsse auf die „vermutliche“ Beschaffenheit und die weitere Verwendung des Magnetbands treffen. Mit der mitgelieferten Verwaltungssoftware ist es möglich seinen gesamten Magnetbandbestand permanent zu überprüfen und die Ergebnisse in einer Datenbank abzuspeichern. So können die Daten einer nahezu unbegrenzten Anzahl von Tape-Sets gespeichert und analysiert werden. Auch können die Ergebnisse der letzten vier gespeicherten Bandeinsätze immer neu zur bestehenden Datenbank hinzugefügt werden, sodass man einen noch besseren Überblick über die derzeitige Qualität der eingesetzten Bänder bekommt. Bänder, die am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind oder durch zu viele Fehler negativ auffallen, werden von der Analysesoftware selbständig erkannt und per Warnhinweis dem Anwender mitgeteilt.
Grundbedingungen für die Aussagekraft der Ergebnisse
Allerdings – und das ist das generelle Problem an einem solchen Analysegerät – es prüft im Prinzip immer nur den Barcode oder den CM-Chip, aber eben nicht das magnetisierte Band an sich. Deshalb darf man sich als Anwender bei der Prüfung von Bändern nicht ausschließlich auf einen Analyser verlassen. Wichtig ist auch gesunden Menschenverstand walten zu lassen: Denn bei den Tests mit verschiedenen unterschiedlichen Tapes hat sich gezeigt, dass auch schmutzige LTO4s aus einem Wasserschaden von der Software mit „ No Problem – The cartridge is in good condition“ gekennzeichnet wurde. Zwar sagt der CM-Chip dass alles o.k. ist, aber über die aktuelle Beschaffenheit des Bandes sagen diese Informationen nichts. Denn in diesem Beispiel fand der Wasserschaden erst nach dem letzten - problemlos verlaufenden - Einsatz des Tapes statt und diese Informationen wurden auch gespeichert. Wäre das Wasserschaden- Tape nach der Verschmutzung eingesetzt worden, wären diese Probleme erkannt und auf dem Chip gespeichert worden. Allerdings hätte in diesem Fall ein Magnetband-Einsatz vermutlich auch zu schwerwiegenden Zerstörungen an der Bandmaschine geführt.
Außerdem – und das zeigt die Erfahrung der Datenretter von Ontrack – können auch die CM Chips in Einzelfällen defekt sein. In vielen Fällen können zwar die Tape-Spezialisten oftmals die defekten Chips durch gezielte Modifikationen wieder so zum Laufen bringen, dass sich die Tapes wieder auslesen lassen. In einigen Fällen aber muss leider ein Daten-Totalverlust hingenommen werden.
Barcode- und CM-Chip auslesen allein reicht nicht
Deshalb ist es wichtig, dass zusätzlich zu der Überprüfung mit dem DC Analyser auch immer jeder einzelne Einsatz eines Tapes von dem verantwortlichen Mitarbeiter dokumentiert wird. So ist sichergestellt, dass neben den gespeicherten CM-Daten auch ergänzende Informationen über die Nutzung der Bänder vorliegen und daraus ungefähr die weitere Einsatz-Dauer und der bisherige Verschleiß abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll die Software-Logs der verwendeten Archiv- oder Backup-Lösung – soweit vorhanden – zu sichern und zu sichten. Auch aus ihnen lassen sich viele Informationen über die Laufzeit der genutzten Bänder herauslesen. Schließlich sollte nicht bei dem Einsatz von Cleaning-Tapes gespart werden. Kleinste Staubkörner in der Bandmaschine können die empfindliche Beschichtung so stark zerstören, dass entweder Daten nicht mehr gelesen werden können oder das Band zerstört wird. Oftmals kündigt sich ein Ausfall eines Magnetbandes durch auffällige Geräusche in der Bandmaschine an. In so einem Fall sollte schnellsten das Band entfernt werden.
Fazit: Prinzipiell ist der Einsatz eines Tape-Analysegerätes mit zusätzlicher Analyse-, Diagnose- und Verwaltungssoftware eine sehr gute Anschaffung. Ontrack empfiehlt Unternehmen, die bei der Archivierung oder Backup auf Tapes setzten, dringend die Anschaffung und den Einsatz eines solchen Geräts für das schnelle Überprüfen von Magnetbändern, denn es überzeugt besonders bei großen Tape-Beständen durch seine einfache Handhabung. In Unternehmen, die Tapes für den laufenden Archiv- und Backup-Betrieb nutzen, kann sich die Anschaffung von circa 2300 Euro schnell bezahlt machen, schließlich können damit teure Ausfälle vermieden werden und der Anschaffungspreis amortisiert sich dadurch sehr schnell.
In Fällen allerdings, wo die alte Archiv-Software oder -Hardware nicht mehr vorhanden ist oder wo der Betrieb zu umständlich oder risikoreich ist, sollte man sich trotzdem nicht ausschließlich auf einen Tape-Analyser verlassen. Besser ist hier ein Auslesen der Tape-Daten durch einen auf Tape-Services spezialisierten Anbieter wie Ontrack, mit einer anschließenden Extraktion, der Überführung in ein modernes Softwareformat und Überspielung entweder auf ein neueres Tape-Medium oder auf einen anderen Datenträger.
Weitere Informationen zum DC Analyser von Fujifilm finden sich auch hier: